Auf dem Programm von »Stahlbau vor Ort« stand am 6. September eine Besichtigung der Sanierungsmaßnahmen am Wiesbadener Hauptbahnhof. Eingeladen hatten die Verlagsgruppe Wiederspahn mit MixedMedia Konzepts und der Architekten- und Ingenieurverein Wiesbaden e.V. (AIV) sowie Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH und Ed. Züblin AG. Diese beiden großen Bauunternehmen bilden hier seit zwei Jahren eine Arbeitsgemeinschaft, deren Aufgabenspektrum nicht nur die Erneuerung des Hallendaches über den Gleisanlagen beinhaltet, sondern auch die Teilertüchtigung der Stahltragkonstruktion und die Instandsetzung von Natursteinfassaden und Verglasungen der Bahnsteighalle umfasst, wobei die Belange des Denkmalschutzes stets zu berücksichtigen waren.
Instandsetzung der Gleishalle
Treffpunkt war der Service-Point in der Bahnsteighalle, an dem sich rund 25 interessierte Teilnehmer einfanden und von Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn, Chefredakteur der Verlagsgruppe Wiederspahn und AIV-Vorstandsmitglied, begrüßt wurden. Dipl.-Ing. Gabriele Merwar von der DB Projektbau GmbH, die den Besuchertrupp danach anführte, verkündete gleich zu Beginn voller Stolz, dass mit Abschluss der Bauarbeiten bereits ein Jahr früher als geplant zu rechnen ist, also schon Ende 2013. Insgesamt werden dann 1.400 t Stahl verbaut sein – nachzulesen auch in einem ausführlichen Fachaufsatz über die »Sanierung des Wiesbadener Hauptbahnhofs«, der in Ausgabe 1∙2012 der Stahlbau-Nachrichten veröffentlicht und hier in Kopie an alle Anwesenden verteilt wurde.
Der Wiesbadener Hauptbahnhof hat eine fünfschiffige Gleishalle von 200 m Länge und 99 m Breite. Zunächst sanierte man beide Außenwände der Gleishalle und befreite die 72 Stützpfeiler vom Rost. Nachdem diese ausgebessert, sie zum Teil mit neuen »Betonfüßen« und einem neuen Korrosionsschutzanstrich versehen waren, wandte man sich der Sanierung der Dächer zu. Deren Erneuerung erfolgt abschnittsweise, und zwar bei laufendem Bahnbetrieb. Dazu bedarf es einer temporären Konstruktion: Verfahrbare Peri-Plattformen dienen hier als äußerst effektive und rasch umsetzbare Montagebühne und erfüllen zugleich die Funktion eines Schutzdaches, das eine Länge von über 190 m und Spannweiten zwischen 7,50 m und 12,50 m aufweist. Um es umsetzen zu können, werden fahrbare Einheiten verwendet, die sich per Hand rangieren lassen. Insgesamt handelt es sich um 66 Plattformen mit 3 m Standardbreite, die auf Rollenböcken von einem Gleisabschnitt zum nächsten »wandern«.
Genietete Stahlbögen mit Zugbändern sind die Basis der Dachstruktur, darüber hinaus gibt es in den Zwischenauflagern Stahlstützen aus genieteten Stahlblechen. In allen fünf Gleishallen finden sich zudem auf dem Bogentragwerk und damit in der Dachfläche sogenannte Laternen als aufgeständerte Oberlichter, die eine neue Verglasung erhielten. Vollständig zu ersetzen war hingegen die schadhafte Dachverkleidung: Als Innenhaut wählte man ein feingliedriges Trapezblech und als Deckschale Aluminiumstehfalzblechtafeln. Entfernt wurden bei den bereits sanierten Abschnitten auch die alten Pfetten und Dachverbände, wobei sich die neu eingebauten Profile an der ursprünglichen Form orientieren.
Vergleicht man die dunkle Holzverkleidung der bisher unsanierten Abschnitte mit den hellen, zweischaligen Blechdächern, so hat der Wiesbadener Hauptbahnhof schon jetzt an Attraktivität und Transparenz gewonnen.
Konstruktive Zusammenarbeit
Bevor wir auf einer komfortablen Bautreppe aus Aluminium auf diese Montagebühne stiegen, erfrischten wir uns mit Kaltgetränken, die von den Firmen Züblin und Eiffel bereitgestellt wurden. Die Fachleute vor Ort, insbesondere Gabriele Merwar und Tindaro Salvia, der für die Bahnhofssanierung verantwortliche Bau- und Projektleiter von Züblin, beantworteten hier alle Fragen bereitwillig und ausführlich. Die DB-Projektleiterin lobte in dem Zusammenhang auch die reibungslose und zuverlässige Zusammenarbeit mit den Baufirmen. Die räumliche Nähe zum Ingenieurbüro Weihermüller + Vogel, das unweit des Hauptbahnhofes ansässig ist, habe sich dabei ebenfalls als großer Vorteil erwiesen.
Unser Rundgang führte uns zum Abschluss nach draußen: Links neben dem Bahnhofsgebäude bekamen wir einen kleinen Eindruck davon, welche logistischen Anstrengungen notwendig sind, um auf engem Platz die einzelnen Bauteile passgenau für die Weiterverarbeitung bzw. die Montage vorzubereiten, sie kurzfristig zwischenzulagern und sie dann mittels Kränen über oftmals größere Entfernungen an den jeweiligen »Einsatzort« zu befördern.
Gestaltung des Vorplatzes
Nicht nur das Bauwerksinnere, sondern auch die Flächen vor und neben dem Gebäude standen auf unserem Besichtigungsprogramm. AIV-Vorstandsmitglied Dipl.-Ing. Petra Bittkau von den Landschaftsarchitekten Bittkau Bartfelder + Ingenieure, die bei der Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes die Künstlerische Oberleitung innehatten, erläuterte uns anhand von Planunterlagen das langwierige Prozedere, das der Neukonzeption dieser Außenanlage, die zeitgleich mit dem Einkaufszentrum Lilien-Carré der Öffentlichkeit übergeben wurde, vorausgegangen war.
Ziel war es, den Bahnhofsvorplatz und das damals neu errichtete Lilien-Carré als Bauensemble zu betrachten. Der Boden besteht aus Platten unterschiedlicher Größe, die sich dank CAD problemlos anordnen ließen, wobei jede von ihnen 18 cm dick ist und hierfür nummeriert werden musste. Ihre Verlegung war sehr aufwendig und erforderte den Einsatz von jeweils zwei Personen: Eine hielt den Plan und nannte die Nummer der einzubringenden Platte, während die andere deren eigentliche Verlegung mithilfe einer Maschine übernahm.
Für ein lichtes Grün sorgen fünf Linden. Ansonsten war man mit der Begrünung ein wenig sparsam, im Vordergrund standen schließlich auch die Zugangswege für die Bahnreisenden und die optische Anknüpfung an das Umfeld. Akzente setzen auf dieser Fläche zudem einige Koffer, die täuschend echt wirken. Keineswegs vorübergehend abgestellt, sondern fest verankert, handelt es sich bei ihnen um gusseiserne Kunstkoffer, die nicht umsonst »Heavy Luggage« heißen. Gestaltet hat sie Andreas von
Weizsäcker, und zwar ursprünglich für den Wiesbadener Kunstsommer 2004.
Gabriele Staupe M.A., Wiesbaden